Online-Archiv „Open Memory Box“: DDR-Alltag auf Schmalfilm

In sechsjähriger Arbeit hat ein internationales Team das innovative Online-Archiv „Open Memory Box“ entwickelt. Die Sammlung umfasst über 415 Stunden privater Filmsequenzen – von Kindergeburtstagen bis zu Begräbnissen, von 1. Mai Kundgebungen bis zur Republikflucht –, die zwischen 1947 und 1990 von 150 Familien in der DDR gedreht wurden. Am 23. September wird das Archiv www.open-memory-box.de erstmalig der weltweiten Öffentlichkeit kostenlos zugängig gemacht.

Das Projekt wurde 2013 vom schwedisch-argentinischen Filmproduzenten Alberto Herskovits und dem kanadischen Politikwissenschaftler Prof. Laurence McFalls ins Leben gerufen. „Unsere Absicht ist, Stereotypen – sowohl schönfärberische als auch schwarzmalerische – bei der Bewertung der DDR-Vergangenheit mit einer anderen Sichtweise – wie der des intuitiven ‚Anti-Archiv’-Bereichs auf der Webseite – aufzubrechen. Wir wollen sehen, wie alte home movies aus der DDR und neue Medienformen deutsch-deutsche Erinnerungsdebatten bereichern können“, erklärt McFalls, der seit 30 Jahren die Wiedervereinigungsgeschichte von jenseits des Atlantiks beobachtet. „Der spielerische Umgang mit dem Quellenmaterial und die Emanzipation des Zufalls hinterfragen tradierte Archivansätze. Der private Blick wird öffentlich, der Schmalfilm zum Spiegel in dem wir uns selbst wiedererkennen,“ ergänzt Herskovits, der 1990 bereits seinen ersten Dokumentarfilm in der noch-DDR gedreht hat.

Mehr als 30 Mitarbeiter waren zeitweilig in Kanada, Schweden und Deutschland mit der Digitalisierung, Sichtung und Verschlagwortung von 2.238 Schmalfilmrollen beschäftigt, die im Sommer 2014 binnen weniger Wochen nach einem deutschlandweiten Aufruf eingesandt wurden. Eine Reihe neu produzierter Kurzfilme ergänzt das Archiv mit wichtiger Kontextualisierung. „Die Open Memory Box,“ meint der Experte für Mediengeschichte Professor Frank Bösch, Direktor des Leibniz- Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam, „gibt Forschern und der breiten Öffentlichkeit einen einzigartigen Einblick in den privaten Alltag der DDR, ebenso in die heutige Deutung solcher Aufnahmen.“

Termine

Beim Pressetermin am 23. September, 11:00 Uhr wird „Open Memory Box“ von Alberto Herskovits und Laurence McFalls erstmals öffentlich vorgestellt. Den Startschuss zur Veröffentlichung des Archivs geben der Kanadische Botschafter, Außenminister a.D. Stéphane Dion, und der Stiftungsratsvorsitzende der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Außenminister a.D. Markus Meckel.

Am 24. September um 18:00 Uhr wird „Open Memory Box“ bei einer Podiumsveranstaltung im Haus
der Bundesstiftung Aufarbeitung in Berlin öffentlich präsentiert.

Am 26. September um 16:30 Uhr wird das Projekt im Rahmen des Filmfestivals moving history in Potsdam vorgestellt.