Museale Ausstellungspraxis und DDR-Geschichte: Vermittlungskonzepte zwischen Sinnstiftung und conflicting memories

Projektleitung: Prof. Dr. Martin Lücke (FU), Dr. Irmgard Zündorf (ZZF), 
Bearbeiter: Julian Genten

Die Erfahrungen, die Menschen in zeithistorischen Ausstellungen machen, sind in hohem Maße von multiplen Kontexten abhängig (Falk/Dierking 2012). Wie das Projekt in Phase I gezeigt hat, sind biografische Bezüge zum Ausstellungsthema, die soziale Besuchssituation und „Eingangsnarrative“ (Doehring/Pekarik 1997) für die Rezeption prägend. Entsprechend voraussetzungsvoll und schwer konzeptionalisierbar sind Prozesse historischer Sinnbildung in Museen. Die Rezeptionsforschung ist deshalb immer wieder mit dem Problem konfrontiert, dass museales Lernen kaum mess- bzw. quantifizierbar ist (Kirchberg 2013).

An diesem Forschungsdesiderat setzt das Projekt an. Es soll untersucht werden, wie vor dem Hintergrund der Multikontextualität eines Ausstellungsbesuchs historisches Lernen von Schüler*innen in DDR-Museen durch geeignete geschichtsdidaktische Rahmensetzungen (Kontroversität, confliciting memories, Überwältigungsverbot) gefördert werden kann. Zu diesem Themenkomplex liegen bislang kaum theoretische Überlegungen und empirische Studien vor (Ausnahmen: Körber 2009, Kohler 2016). Im Projekt sollen über Fokusgruppen und teilnehmende Beobachtung Umgangsweisen von Schüler*innen mit DDR-Geschichte in Museen analysiert werden. Gefragt wird: Welche Funktionen schreiben Schüler*innen Museen zu? Welcher Stellenwert kommt unterschiedlichen Ausstellungsmedien (Exponaten, Texten, interaktiven Stationen) in der Rezeption zu? Wie wirken sich museale Präsentationsweise und sozial-situative Rahmenbedingungen auf die Ausstellungsrezeption aus? Geplant sind in drei Museen je 3–4 Fokusgruppen. Parallel sollen in Seminaren mit Lehramtsstudierenden praxisorientierte Richtlinien für den Einsatz historischer Ausstellungen im Unterricht erarbeitet, erprobt und mit Akteur*innen der Vermittlungsarbeit evaluiert werden.

Dieses Projekt ist mit dem Projekt zu Bildungs- und Erinnerungsorten verzahnt, indem Museen bzw. Ausstellungen an Gedenkorten (Lernort Keibelstraße, Gedenkstätte Berliner Mauer, Stasimuseum Berlin) untersucht werden. Weitere Synergien entstehen durch den medientheoretischen Zuschnitt des Projekts, das Museen entsprechend der semiotischen Ausstellungstheorie als komplexe Zeichensysteme auffasst (Scholze 2004), die von Besucher*innen entschlüsselt werden, und durch die Verwendung von Fokusgruppengesprächen als methodischem Zugriff. Die Ergebnisse werden in drei Formaten veröffentlicht: im Rahmen eines peer-reviewed articles, der das methodisch-empirische Vorgehen und die Ergebnisse präsentiert, durch eine Handreichung zu den evaluierten Richtlinien sowie durch eine geschichtsdidaktische Transfer-Tagung.